Über mich

Am 9. Juli 2022 habe ich zuletzt Alkohol konsumiert. Champagner, abgestanden, direkt aus der Flasche. Wir hatten sie eine Woche zuvor geöffnet, seit da war sie offen im Kühlschrank. Damit stand sie für meine Beziehung zu Alkohol: der Sprudel war raus. (Nein, das war nicht so geplant, das ist jetzt im Nachhinein meine Interpretation).

Meine Trinklaufbahn war so ziemlich durchschnittlich. In der Jugend und während dem Studium ziemlich viel, meistens Bier und Wein, immer mal auch in Kombination mit anderem. Und immer in Gesellschaft. Ich trank eigentlich nie aus Stress, Sorgen oder Ängsten. Mein Trinken war Party, Feiern, ausgelassen sein. In den letzten Jahren begrenzte es sich auf Wochenenden und vielleicht mal auf den einen oder anderen Abend unter der Woche. Aber das sehr selten. Zitternde Hände am Morgen oder Magenkrämpfe kenne ich nicht, Filmrisse hatte vielleicht in der Jugend mal und es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal wegen zu viel Alkohol gekotzt habe.

Klar, das tönt nicht nach einem ernsten Alkoholproblem. Und dennoch hatte ich genug. Hauptsächlich aus diesen Gründen:

  • ich wurde zunehmend unsicher, wer das Sagen hat, ich oder der Alkohol. Immer wieder hatte ich mir vor Anlässen vorgenommen, nichts zu trinken. Und immer hatte ich früher oder später dennoch ein Glas Wein oder ein Bier in der Hand. Ich spreche von Aperitiven im Geschäft, Grillparties bei Freunden wenn ich am nächsten Tag biken gehen wollte. Also nicht unbedingt die Events, an denen es schwierig ist, sich ans Wasser zu halten.
  • Mässigung funktioniert bei mir nicht. Nur ein Glas zu trinken geht fast nicht. Dem Ersten folgt das Zweite und dann bin ich der Letzte, der geht. Und auf dem Heimweg einen Bierstopp einlege.
  • Alkohol frass zu viel Energie. Nur schon kleine Mengen beeinträchtigten meinen Schlaf. Ich blieb Abends länger auf, rauchte oft noch zwei, drei Zigaretten und war am Morgen unausgeruht und kaputt. Der Wecker klingelte später, ich hatte keine Zeit für Sport und Meditation. Beides ist mir wichtig und fühle mich so viel besser, wenn ich körperlich und geistig trainiert bin. Zudem führte die Müdigkeit dazu, dass ich mich schlechter ernährte.

Und da Mässigung bei mir nicht funktioniert, gehörte ich an Events meistens zu denjenigen, die ziemlich viel tranken. Die meisten um mich herum tranken weniger. Ich musste mich deshalb am nächsten Morgen oft fragen, ob ich dumme Sachen gesagt habe und was die anderen wohl so von mir denken.

Alles vorbei: ich schlafe gut, fühle mich morgens fit und erholt und finde täglich die Zeit für eine kurze Fitness-Session und Meditation. Ich weiss, dass ich mich am Abend nicht daneben benommen habe. Ich spüre viel mehr Energie und bin viel ausgeglichener. Das wirkt sich nicht zuletzt positiv auf mein Familienleben aus, weil ich viel geduldiger bin mit meinen Kindern und weniger reizbar. Ich habe die Energie, Dinge anzupacken wie Nooze und kann nun mit hoher Konsistenz dranbleiben.

Ich weiss, es ist schwierig nachvollziehbar, was es mit diesem Mehr an Lebensenergie auf sich hat. Aber wenn der Körper nicht ständig Energie in den Abbau von Alkohol investieren muss und dank gutem Schlaf auch ausruhen kann, bleibt einfach mehr Power fürs Leben. Das machte sich bei mir nach zwei, drei Wochen ohne Alkohol bemerkbar.

Wenn ich Lust habe auf einen Drink, denke ich an den nächsten Morgen. Dann fällt es mir schwerer, auf diese Power zu verzichten als auf das Bier. Und unter uns: es fällt mir schwer zu glauben, dass ich sowas überhaupt schreibe. Denn früher habe ich meine Persönlichkeit nicht zuletzt auch über den Alkohol definiert und mich von den Nichttrinkern, diesen strickenden, Blockflöte spielenden Langweilern, distanziert.

Damit ergibt sich eine grundlegende Verschiebung der Motivation. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem Verzicht, sondern auf dem Gewinn. Ich verzichte also nicht mehr auf etwas, ich will das gute Körpergefühl, die Energie, die Fitness.